CDU-Kreistagsfraktion tagte mit Bundestagsabgeordnetem, Landrat und Kliniken-Chef in Lienzingen „Wer noch Luft im Budget sieht, bewegt sich nicht in der Realität, sondern auf der Geisterbahn“ Die Union stimmt dem Kreis-Etat 2023 zu

Mühlacker-Lienzingen. Mit aktuellen kreispolitischen Themen wie dem Haushaltsplan 2023 aber auch mit mittelfristigen Entwicklungen wie denen der Enzkreis-Kliniken und der Sozialausgaben beschäftigte sich die CDU-Fraktion des Kreistages. Zu ihrer Klausurtagung am Samstag in Lienzingen kamen auch Bundestagsabgeordneter Gunther Krichbaum, Landrat Bastian Rosenau, Finanzdezernent Frank Stefan sowie der Geschäftsführer der Regionalen Kliniken Holding (RKH), Professor Dr. Jörg Martin und Regionaldirektor Fabian Bunzel in dem 2100-Einwohner-Ort. „Wir müssen über den Tag hinausdenken und verstärkt längerfristig steuern“, sagte Fraktionsvorsitzender Günter Bächle.

Im ältesten bekannten ländlichen Wohnhaus im Regierungsbezirk Karlsruhe, dem Nachtwächter, griff die CDU-Fraktion den gemeinsamen Brandbrief des Landrats sowie des Sprechers der Bürgermeister des Landkreises, Michael Schmidt (Neulingen) an Bundeskanzler und Abgeordnete auf. „Bund und Land dürfen uns nicht weiter die Luft abdrücken durch immer neue Aufgaben, sondern müssen im Gegenteil den Druck rausnehmen.“ Es gebe erste Reaktionen der Landesregierung, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden zu prüfen, welche derzeitigen Aufgaben und Vorschriften gestrichen werden können, sagte der Landrat. So habe der Landkreistag eine Umfrage bei den Landratsämtern gestartet. Dies sei sicherlich ein längerfristiger Prozess, doch er müsse endlich gestartet werden.

Besonders belastend sei, so Rosenau, das Bundesteilhabegesetz (BTG). Gut gemeint, schlecht gemacht: Es bringe einen entsetzlichen bürokratischen Aufwand mit sich; und zwar sowohl beim Landkreis als auch bei den Trägern der Einrichtungen – und nicht zuletzt bei den Menschen mit Behinderung selbst. Die zusätzlichen Belastungen für den Enzkreis beziffere seine Verwaltung für 2023 mit 3,8 Millionen Euro, für 2024 gar mit mehr als acht Millionen Euro. Der Bundestagsabgeordnete Krichbaum stimmte der Kritik zu: Statt Zwangsbeglückung der Betroffenen durch den Staat regte er ein Optionsmodell mit Wahlmöglichkeiten der Betroffenen an.

Probleme gebe es auch beim Jobcenter, denn wegen zusätzlicher Aufgaben entstehe ein personeller Engpass. So fehlten die Leute, um der Gesellschaft für Service und Integration (GSI) in Mühlacker die Maßnahmen zuzuweisen für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, weshalb „der GSI Leute und somit Einnahmen fehlen, weshalb ihr wirtschaftliche Probleme drohen“. Denn die aus der Ukraine geflüchteten Menschen kamen laut Entscheidung des Bundes in das Leistungssystem des SGB II. Folge für den Enzkreis: Etwa 1.200 Hilfeempfängerinnen in 600 Bedarfsgemeinschaften bedeuteten eine Steigerung der Fallzahlen um 25 Prozent – und das in einer Situation, in der das Jobcenter ohnehin schon personell unterbesetzt sei, so Rosenau.

„Die enorme Steigerung der Sozialausgaben macht dem Kreis schwer zu schaffen und zwingt, die Kreisumlage für die Gemeinden deutlich zu erhöhen“, so der Finanzdezernent des Landkreises, Frank Stephan. Die Verwaltung habe versucht, einen seriösen Haushalt vorzulegen und die Belastungen gerecht zwischen den Gemeinden und dem Kreis zu teilen. Die Politik müsse reagieren, was die Erstattung der Sozialausgaben betreffe, ansonsten schnüre es dem Enzkreis im Jahr 2024 endgültig die Luft bei den Finanzen ab. Eine Bewertung, der die CDU-Fraktion zustimme, so der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Bürgermeister Heiko Genthner (Königsbach-Stein). Er halte nichts davon, pauschal oder prozentual im Entwurf des Etats Kürzungen vorzunehmen und die Verteilung auf die einzeln Haushaltsstellen der Verwaltung zu überlassen, denn das würde das Königsrecht des Kreistages schmälern.

in einer Mitteilung fasste der Vorsitzende der Fraktion, Günter Bächle, die Ergebnisse der Beratungen zusammen. „Die CDU trägt den von der Verwaltung vorgelegten Entwurf mit, somit auch die Risiken, die im Etat stecken.“ Diese Risiken seien möglicherweise noch höher. Schon allein deshalb verbiete es sich, schon gar aus optischen Gründen die veranschlagten Einnahmen zu reduzieren. Seit der Einbringung des Entwurfes hätten sich weitere Mehrbelastungen abgezeichnet. So falle das Defizit der Kliniken um 1,1 Millionen Euro höher aus als eingeplant, die steigenden Energiepreise erforderten zusätzlich 600.000 Euro, auch das Jugendamt habe einen Mehrbedarf nachgemeldet. Der Spardruck auf die Verwaltung bleibe bestehen. „Wer aber hier noch Luft im Budget sieht, bewegt sich nicht in der Realität, sondern auf der Geisterbahn.“ Die Union stimme dem Etat 2023 zu.

Die Kliniken kosten den Landkreis – aus Defizit des laufenden Betriebs und dem Kapitaldienst für Investitionen - auf 10,1 Millionen Euro im Jahr 2023. „Wir brauchen Hilfen von Bund und Land“, sagte der Geschäftsführer der Regionalen Kliniken Holding (RKH), Jörg Martin. Die Rahmenbedingungen müssten sich verbessern. Die Politik dürfe nicht erst aufwachen, wenn die ersten Kliniken pleitegehen. Diese Gefahr drohe aber freigemeinnützigen und kirchlichen Krankenhäusern. Die kommunalen Kliniken hätten mit den Stadt- und Landkreisen Partner, die entstehende Löcher stopfen könnten.
Sowohl Martin als auch Krichbaum forderten vom Land eine Krankenhausplanung. Das Sozialministerium müsse entscheiden, dürfe sich nicht nur auf die Rolle des Moderators zurückziehen. Der Enzkreis stehe schon jetzt mit Bürgschaften in Höhe von 77 Millionen Euro für seine Kliniken gerade, sagte Kreisrat Mario Weisbrich, Bürgermeister von Wimsheim. Ein Ende sei nicht abzusehen, aber da dürfe nichts passieren.

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